Mein Elternhaus war der erste Bahnhof in der kleinen niedrheinischen Ort. Er wurde 1882 feierlich eröffnet und verband die evangelische Stadt mit der katholischen Nachbarstadt. An Fronleichnam fuhren die katholischen Bürger mit dem Zug zur Prozession in die Nachbarstadt. Deshalb hieß der Bahnhof im Volksmund nur noch der „Katholischer Bahnhof“.
Zunächst gab es, damals das Wichtigste, eine Küche und darin einen alten Kohleherd. Ein Herd mit umlaufender verchromter „Handtuchtrockenstange“, gusseiserner Platte und emailliertem Korpus mit ebenfalls emaillierter Backofentür und anderen Klappen. Einen Kühlschrank gab es noch nicht. In die Küche gelangte man durch das Wohnzimmer. Ein Raum mit rotbraun gestrichenen Holzdielen, 3,80 m hohen, gekälkten Wänden und einem großen, einfach verglasten Fenster. In einer Ecke stand ein kleiner Kanonenofen, der im Winter kaum Wärme spendete. Auf den Holzdielen in der Mitte des Raumes lag ein Teppich. Ach was sage ich Teppich, es war lackierte Dachpappe, Stragula genannt. Ein Sofa, ein Tisch, zwei Stühle und ein Schrank vervollständigten das Zimmer. Im Flur, von dem aus man in die Wohnung kam, stand ein Schrank. Es war noch ein solcher Schrank ohne Schrauben, Nägel oder Möbelbeschläge, nur die Holzkonstruktion hielt ihn zusammen.
Oben – unterm Dach juchhe – waren zwei Schlafzimmer, eine rechts und eine links vom Dachboden. In dem einen Schlafzimmer schlief meine Schwester, die den Krieg überlebt hatte, in der anderen meine Eltern und ich. Es handelte sich mehr um Kammern als um Zimmer, so wie man in der damaligen Zeit in aller Eile einen Dachboden ausgebaut hat. Im Winter war es so kalt, dass sich an den einfach verglasten Fensterscheiben Eisblumen bildeten. Ein kleiner Kohleofen brachte die Temperaturen im Winter nachts nicht wirklich über null Grad. So manche Winternacht habe ich mit Pudelmütze und Handschuhen geschlafen.
Samstags war immer Badetag. Die Waschküche im Anbau des Bahnhofs war nur über den Hof erreichbar. Ein Waschbottich, eine verzinkte eiserne Badewanne und Kohle oder Holz zum Heizen – mehr brauchte man nicht. Zuerst musste der Bottich mit Wasser gefüllt werden. Dann wurde das Wasser mit einem Feuer erhitzt und mit einem Eimer in die Zinkbadewanne geschüttet. Und lief es in dieser Reihenfolge ab: Zuerst durfte die Mutter baden, dann der Vater und zum Schluss die Kinder. Ich war also immer der Letzte, denn vorher war meine Schwester dran. Wer das einmal erlebt hat, weiß ein heutiges, modernes Badezimmer zu schätzen. Aber als Kind kannte ich es nicht anders.
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